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Schonungslose Jagd auf junge Waschbären?

Der schwarzgrüne Koalitionsvertrag von 2018 sieht vor, die Schonzeit für Jungwaschbären aufzuheben. Das Umweltministerium will die ganzjährige Freigabe per Erlass zum 1. April 2020 in Kraft setzen. In seiner Stellungnahme (pdf; ca. 570 KB) im Rahmen der Verbände-Anhörung hat der ÖJV Hessen deutlich gemacht, dass er dafür keine fachliche Grundlage sieht.

Offenbar ist die Listung des Waschbären als „invasive Art“ der einzige neue Sachverhalt, der für die entsprechende Änderung der Jagdverordnung ins Feld geführt wird. Doch die Risiko-Analyse der EU-Kommission gilt zurecht als unzureichend, da sie wesentliche Forschungsergebnisse aus Deutschland nicht berücksichtigt.

Waschbär (Foto: Ralf Hohmann, Alheim)

So bestätigen langjährige Kotanalysen im Müritz-Nationalpark durch Michler*, Engelmann u.a. den Waschbären als opportunistischen Allesfresser, der sich zu 41,3 % von Pflanzen und zu 43,7 % von wirbellosen Tieren ernährt. Die Wirbeltiere machen nur 15 % des Nahrungsspektrums aus. Und gerade die sollen ja angeblich durch den Kleinbären massiv bedroht sein.

Die Ausbreitung des Waschbären ist durch die Jagd nicht aufzuhalten. Bei 1,2 erlegten Tieren pro 100 Hektar kann auch in Hessen von einer relevanten Beeinflussung der Population keine Rede sein. Auch die Aufhebung der Schonzeit für Jungwaschbären wird zu keiner Regulierung führen. Dazu der Wildbiologe, Jäger und Waschbär-Experte Dr. Ulf Hohmann:

„Ich kenne keinen einzigen Wissenschaftler oder Jagdexperten, der ernsthaft glaubt, den Waschbären mit jagdlichen Mitteln Einhalt gebieten zu können. Wir müssen uns einfach damit abfinden, dass der Waschbär sich bei uns wohl fühlt und wir ihn nicht regulieren können. Insofern müssen wir uns mit ihm arrangieren. Die Etablierung erfolgt unabhängig von den landesjagdgesetzlichen Regelungen (z. B. mit oder ohne Schonzeit). Ein jagdliches Management (Regulation) war bisher nicht effektiv. Auch zukünftig ist keine jagdliche Regulation zu erwarten.“

Sollte dennoch die Schonzeit für Jungwaschbären in Hessen aufgehoben werden, so geben wir zu bedenken, dass im Hinblick auf den gesetzlichen Schutz der Elterntiere die Fallenjagd von Mai bis August unzulässig bleibt, da den Jungtieren zeitweise Elterntiere entzogen werden können.

09.01.2020 / ÖJV Hessen

*) Michler, Berit (2017): „Koproskopische Untersuchungen zum Nahrungsspektrum des Waschbären (Procyon lotor L., 1758) im Müritz-Nationalpark (Mecklenburg-Vorpommern) unter spezieller Berücksichtigung des Artenschutzes und des Endoparasitenbefalls“ – Dissertation Technische Universität Dresden, 172 Seiten.

 

ZwischenrufZwischenruf – Kommentar von Gerd Bauer zur geplanten Aufhebung der Schonzeit von Jungwaschbären

Traditionelle Jagdverbände versuchen seit Jahren, die dereinst von Jägern ausgesetzten Kleinbären zu räuberischen Monstern aufzuschminken. Es liegt nahe, dass die Dämonisierung des Tieres benutzt werden soll, um die umstrittene Fallenjagd zu rechtfertigen. Gelegentlich auftretende Beschädigungen von Dachböden werden fälschlich als serielle Untaten dargestellt und sollen den Waschbären in der Öffentlichkeit als „Plage“ denunzieren, der die Fallenjagd dringend Einhalt gebieten müsse.

Die von den Regierungsparteien verabredete ganzjährige Bejagung von Jungbären ist offensichtlich ein politisches Zugeständnis, mit dem die CDU auf die massive Anti-Waschbär-Kampagne konservativer Jäger reagiert hat. Die Grünen hielten diese Kröte für klein genug, um sie zu schlucken.

Eine Aufhebung der Schonzeit für Jungbären würde aber unweigerlich mit dem gesetzlichen Schutz der Elterntiere kollidieren, da bei der dann legalen Fallenjagd auch Altbären gefangen würden, die bis zu ihrer Freilassung ihren Nachwuchs nicht versorgen könnten.

Angesichts der langjährigen Verteufelung der Tiere ist zudem zu befürchten, dass „Waschbärhasser“ unter den Fallenstellern in Versuchung geraten, in der Schonzeit gefangene Altbären rechtswidrig zu erlegen. Damit würde der Elterntierschutz weiter ausgehöhlt.

09.01.2020 / Gerd Bauer