Aktuell

Ein Herz für Hamster?

Schonzeitaufhebungen für Beutegreifer zum Schutz bedrohter Arten sind ein probates Mittel der Traditionsjäger, die ungeliebte hessische Jagdverordnung aufzuweichen. Neben den Birkhühnern im grenznahen Bayern, die ab und an auch mal nach Hessen fliegen, waren es zunächst nur die Rebhühner der Wetterau, die durch verschärfte Bejagung ihrer Fressfeinde gestützt werden sollten. Dabei sind die jägerisch betreuten Arten durchaus auswechselbar, Hauptsache man kann so Prädatoren durchgehend zur Strecke bringen. Mittlerweile ist denn auch der Feldhamster dazu gekommen, der wohl auch in diesem Jahr gegen Beutegreifer ins Feld geführt werden wird. In der Wetterau ist der Antrag sicher schon in Arbeit.

Feldhamster-Wurf (Foto: AG-Feldhamsterschutz/HGON)

Bereits 2017 war in zahlreichen Wetterau-Revieren die ganzjährige Bejagung von Fuchs und Waschbär erlaubt, damals noch wegen der raren Rebhühner. 2018 kam jedoch das Signal aus Wiesbaden, dass der Hühnerschutz nicht länger dafür tauge. So schloss man notgedrungen den Feldhamster ins Jägerherz. Diesmal sollten die Beutegreifer wegen ihm dran glauben. Dem Antrag aus der Wetterau wurde stattgegeben. Die Schonzeit fiel erneut ins Wasser.

Nun steht der Nachweis, dass Prädatorenjagd den Hamster rettet, nach wie vor aus. Es gab auch vorab und vor Ort keine Untersuchungen, die dies in der Wetterau wenigstens vermuten ließen. Auch eine Erfolgskontrolle war nicht vorgesehen. Den vorsätzlichen Verzicht auf wissenschaftliche Begleitung hatte der ÖJV schon 2017 kritisiert und 2018 in einem Brief an die Umweltministerin (pdf; ca. 310 KB) ein Monitoring nochmals angemahnt. Die Antwort aus dem Ministerium (pdf; ca. 50 KB) kam spät und fiel knapp und juristisch aus. Statt fachlicher Aussagen wurde lediglich der Rechtsrahmen zitiert, der bei einer Schonzeitaufhebung keine wissenschaftliche Überprüfung vorschreibe. Dies sei auch gar nicht nötig.

Die Absage an die Wissenschaft war erstaunlich, steht sie doch im klaren Widerspruch zum erklärten politischen Willen der Koalitionsparteien, der sich in einem gemeinsamen Landtagsantrag vom Mai 2017 (pdf; ca. 840 KB) widerspiegelt. Dort ist nachzulesen, dass Ausnahmen von der Schonzeit nur „für einen fest definierten Zeitraum und unter entsprechender wissenschaftlicher Begleitung“ gelten sollen.

Bei den Koalitionsgesprächen Ende 2018 haben sich die schwarzgrünen Verhandlungsführer offenbar an diesen Anspruch erinnert und im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass eine Bejagung zum Schutz bedrohter Arten „mit Sondergenehmigung auch in der Schonzeit fortgesetzt werden“ kann. „Die Effektivität dieser zusätzlichen Bejagung auf den Bestand der gefährdeten Arten wird dabei in einem begleitenden Monitoring evaluiert.“ Womöglich war da die Kritik des ÖJV eine hilfreiche Gedächtnisstütze.

Wir setzen nun darauf, dass diese Festlegung im Laufe der Regierungszeit nicht wieder in Vergessenheit gerät und ein unabhängiges Monitoring gewährleistet wird. Jedem Versuch der Traditionsjäger, Einfluss auf die Auswahl der beteiligten Biologen zu nehmen, wird sich der ÖJV entgegenstellen.

Hamsterrettung durch Abschuss von Beutegreifern ist allerdings keine neue Idee. Bei einem großangelegten Wiederansiedlungsprojekt in den Niederlanden hat man auch erforscht, ob verschärfte Fuchsjagd den bedrohten Nagern helfen kann. „Die Füchse wurden in einigen Gebieten durch den Einsatz von Scheinwerfern verstärkt bejagt“, so Projektleiter Maurice La Haye, „doch die Überlebensraten der Hamster dort unterschieden sich nicht von jenen Arealen, in denen keine Scheinwerfer zum Einsatz kamen“.
Ein ernüchterndes Ergebnis, das unsere Zweifel nährt.

25.01.2019 / ÖJV Hessen